Eine Tour durch Irland. Mit dem Auto von AirBnB zu AirBnB zu hüpfen. Ohne Vorplanung und einfach drauf los.  Das war der Plan. Das hörte sich gut an. Zumal ich so etwas bereits im letzten Jahr durch Deutschland und Polen gemacht habe. Als ich einem Arbeitskollegen von meinem Plan erzählte, meinte dieser, dass er die gleiche Tour macht – aber in einem Camper. Meine Reaktion:

surprise

Warum hatte ich nicht diese Idee? Noch flexibler und noch mehr Spaß. Erinnerungen an meine Wohnmobil-Tour durch Schottland wurden wach. Sofort machte ich mich auf die Suche bei den üblichen Camper-Vermietern. Und umgehend machte sich Ernüchterung breit. Das würde die Kosten für den Urlaub mehr als verdoppeln und jedes eingeplante Budget sprengen. Ja, auch diese Erinnerungen an Schottland kamen hoch. Wieder kam der besagte Arbeitskollege ins Spiel: Er kannte von einem Australien-Urlaub noch Wicked Campers. Ziemlich klapprige und bunt besprühte Campervans, welche man zu einem günstigen Kurs mieten kann.

Also die Suchmaschine meines Vertrauens angeworfen und schnell gefunden, dass die Wicked Camper Leute auch einen Ableger in Irland haben. Auf deren Website den Reiseplan eingegeben und die Kosten ausrechnen lassen. Bingo! Alles genau im Budget. Apropos Website: Hier bemerkte ich erstmals, dass man sich da selbst nicht so ernst nahm. Beispiel gefällig?

Spätestens wenn auf der Beispiel-Grafik für den gewählten Van eine Bong auf dem Tisch findet, weiß man, dass die anders sind. Also die Freundin gefragt und auch sie war sofort begeistert von der Idee. Natürlich trugen auch die Bemalungen der Camper zur Entscheidung bei. Jedes Fahrzeug sieht anders aus, allerdings kann man nicht auswählen, welches man bekommt. Es ist auch möglich Fahrzeuge ohne Bemalung zu mieten, aber wer will das schon?

Camper Layout

Etwas verunsichert haben mich die etwas durchwachsenen Erfahrungsberichte im Netz. Teilweise war von fahrenden Schrotthaufen die Rede. Aber zumindest der Teil von Wicked Campers in Großbritannien und Irland ist Mitglied im Verband BVRLA (British Vehicle Rental and Leasing Association). Dieser setzt gewisse Mindeststandards bei Qualität und Sicherheit voraus. Außerdem sind wir abenteuerlustig, deshalb wurde gebucht. Ich habe mich für die günstigste Variante, den „Iconic 2-Seater“ in der Rechtslenker-Version, entschieden. Aus Erfahrung wusste ich, dass ein Linkslenker in einem Land mit Rechtsverkehr an vielen Kreuzungen eher ungünstig ist, da man diese einfach nicht gut einsehen kann.

Zur Ausstattung gehören, Campingkocher, Miniküche mit Spüle, (dünne) Matratzen, sämtliches benötigtes Besteck und Geschirr, wie Pfanne, Topf, Teller und Schüsseln, sowie eine (nicht-elektrische) Kühlbox. Und die wichtigste Frage bei einer Reise im Herbst: Gibt es eine Standheizung? Nein, gibt es nicht. Man lässt einfach ganz „umweltfreundlich“ den Motor laufen oder setzt, wie von Wicked Campers empfohlen, auf Körperwärme. Sollte man allein unterwegs sein, muss man sich halt vor Ort Mitschläfer suchen.

¯\_(ツ)_/¯

Die Buchung selbst lief online sehr einfach ab. Allerdings verlangt die Geschwindigkeit der Website einige Geduld und beruhigende Medikamente. Danach konnte man auch direkt online einchecken, was den Übernahmevorgang vor Ort deutlich verkürzen sollte. Also alles erledigt, ab nach Dublin.

Nach einer Übernachtung in einem AirBnB vor Ort ließen wir uns von einem Taxi zum lokalen Wicked Camper Standort fahren. Dort angekommen fanden wir uns in einem Lagerhaus wieder was bunte Graffiti an den Wänden hatte und in dem einige verstaubte Camper ohne jeglichen Abstand reingepfercht wurden. Kratzer und Beulen waren wohl egal.

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Das wurde übrigens klar als der Vermieter mit unserem Van einen anderen touchierte, als er ihn für uns aus der Halle fuhr. Weiter ging es dann in sein „Büro“. Eigentlich ähnelte es eher einem Coffeeshop. Auch hier bunte Wände, betörende Gerüche und ein Vermieter, der mit seinen Dreadlocks und seiner Gelassenheit eher nach einem Surfer aussah, der gerade noch eine Kräuterzigarette genossen hatte.

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Ganz entspannt erklärte er uns in 5 Minuten das Fahrzeug, übergab uns den (mit Klebeband reparierten) Schlüssel und wünschte uns eine gute Reise. Natürlich wurde erstmal die Lackierung begutachtet. Das erst was man merkt: Sie ist hervorragend geeignet Dellen zu kaschieren. Aber das war uns egal. Wir waren sehr zu frieden mit der Optik 🙂

wc

Auch technisch war alles ok. Der Wagen fuhr sich gut und die sicherheitsrelevanten Teile waren wohl auch in Ordnung. Naja, wenn man von einem gelegentlichen Aufblinken der ABS-Leuchte absieht. Die Küche und das Bett erwiesen sich als Eigenkonstruktion aus Holz. Nicht schön, aber praktisch. Die Matratzen hätten gerne dicker sein dürfen, aber bequemer als ein Zelt auf einem Festival ist es allemal.

Als sehr schwergängig zeigten sich zunächst die Seitentüren. Zumindest bis wir herausgefunden hatten, dass es elektrische Türen waren, deren Funktion man erst durch einen versteckten Knopf im Cockpit aktivieren musste. Ansonsten war es ein normales ca. 10 Jahre altes Auto. Es handelte sich im Übrigen um einen Toyota Noah, ein Fahrzeug, welches Toyota gar nicht für Europa vorgesehen hat. Ich vermute für Länder mit Linksverkehr machte man wohl eine Ausnahme.

Unsere Vorräte wollten wir in dem nur wenige 100 Meter entfernten Lidl auffüllen. Bis dahin hatte ich allerdings schon 10-mal aus Versehen die Scheibenwischer eingeschaltet. Welcher &%$’*“=(% baut denn den Blinkerhebel nach rechts und den Scheibenwischer links am Lenkrad? Und wie lange dauert es mich daran zu gewöhnen? Spoiler: 8 von unseren 10 Urlaubstagen. Und werde ich mich zu Hause dann direkt wieder richtig verhalten? Spoiler 2: NEIN!

Die restlichen Probleme beschränkten sich auf eine sporadisch aufleuchtende ABS-Anzeige und ein etwas undichtes Spülbecken. Die Reparatur des Beckens führte uns immerhin in einen kleinen Ort am Ring of Kerry namens Sneem in einen noch kleineren Hardware Store. Dieser ähnelte eher einer heruntergekommenen Werkstatt mit nur einem Holzregal mit schmutzigen Fenstern und einem Boden, der zuletzt bei der Eröffnung des Ladens (ich schätze ca. 1922) gereinigt wurde. Immerhin akzeptierte er Apple Pay und Kreditkarte. Warum das in Deutschland bis heute viele moderne und große Geschäfte nicht hinbekommen ist mir ein Rätsel, dazu aber mehr in einem anderen Blogbeitrag.

Zudem ereilte uns bereits am ersten Tag ein großer Steinschlag mitten auf der Windschutzscheibe wofür der Wagen allerdings nichts kann. Schuld war ein LKW der auf einer ca. 4 Meter breiten Strasse mit gefühlt 90 km/h an uns vorbei fuhr und damit sogar 10 km/h unter der Geschwindigkeitsbegrenzung lag. Überhaupt scheint Irland mit dem Aufstellen von Verkehrsregeln eher entspannt umzugehen. Erlaubte 100 km/h wo ich bereits mit 60 Angst bekam? Keine Seltenheit. Jedenfalls war ich froh über die abgeschlossene Zusatzversicherung für Reifen und Glas.

Aber was soll’s. Alles Kleinigkeiten. Als wir abends unseren ersten Übernachtungsplatz am Inch Beach in der Nähe von Cork erreichten, wussten wir, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten.

Das Auto fuhr uns noch weitere 9 Tage zuverlässig durch atemberaubende Landschaften und ließ sich auch vom Sturm, der uns in den Wicklow Mountains durchschüttelte, nicht aus der Ruhe bringen.

Würde ich empfehlen einen solchen Camper zu mieten? Ja, auf jeden Fall. Also vorausgesetzt ihr habt …

  1. Genug schwarzen Humor für die teilweise expliziten und sexistischen Sprüche auf und im Van,
  2. Keine Probleme mit geringfügigen technischen Macken,
  3. Spaß an menschlichen Kontakten,

denn eins steht fest: mit keinem anderen Camper kommt ihr so leicht mit Menschen in Kontakt oder bringt sie zumindest zum grinsen sobald sie das Fahrzeug sehen.

Würden wir es wieder machen? Das nächste mal mieten wir wohl einen komfortableren Camper. Aber irgendwann, allein für den Spaß, fahren wir nochmal in so einer bunten Kiste.

Ihr habt Fragen zum Camper oder Hinweise wo man ein noch besseres Angebot bekommt? Schreibt sie in die Kommentare.

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